CfP | movements 2(1): Rassismus

Die movements Ausgabe 2(1) wird sich mit gegenwärtigen rassistischen Formationen in und über die BRD hinaus beschäftigen. Die jüngsten Entwicklungen in Deutschland werden häufig mit den 1990er Jahren verglichen, als sich neonazistischer Terror auf der Straße und die faktische Abschaffung des Asylrechts im sogenannten Asylkompromiss aufeinander bezogen. Heute lässt sich Ähnliches beobachten. In den antimuslimischen Großdemonstrationen von PEGIDA und Co. oder in ‚Bürgerinitiativen‘ gegen die Unterbringung von Geflüchteten oder gegen sogenannte ‚Armutszuwanderung‘ aus EU-Mitgliedsstaaten kommen rassistische Haltungen zum Ausdruck, die in der deutschen Bevölkerung bis heute weit verbreitet sind. Auch dieses neuste Aufleben gesellschaftlicher Stimmungsmache gegen Migration und Pluralität ist mit einem drastischen Anstieg rassistischer Gewalt verbunden. Und wie in den 1990er Jahren wird diese nicht etwa mit einer klaren Zurückweisung des Rassismus beantwortet. Damals wie heute sind die politischen und staatlichen Reaktionen selbst rassistisch und tragen zur weiteren Kriminalisierung und Pathologisierung von Flucht und Migration und der damit verbundenen Bewegungen bei (bspw. durch die Asylreformen von November 2014 und Juli 2015). Wie sehr Rassismus sich in einem politisch, staatlich und gesellschaftlich gewährten Raum entfalten kann, verdeutlicht auch der NSU-Komplex immer wieder auf erschreckende Weise: von den unzähligen Verstrickungen deutscher Sicherheitsbehörden, über die Sabotageakte in der Aufklärungsarbeit, bis hin zur weitgehenden politischen Folgenlosigkeit und dem Ausbleiben öffentlicher Empörung über diese Skandale.

Trotzdem greift der Vergleich zu den 1990er Jahren unseres Erachtens zu kurz, denn er übersieht die seither erfolgten gesellschaftlichen Transformationen. Die Bewegungen der Migration haben nicht nur zu einer umfassenden Pluralisierung der Gesellschaft und gelebten Selbstverständlichkeit von Mehrfachzugehörigkeiten geführt, sondern die damit verbundenen Kämpfe haben mittlerweile deutliche Spuren im Repräsentationsregime hinterlassen. Damit einher gehen neue Partizipationsmöglichkeiten von (ehemals) Eingewanderten und ihren Nachkommen und neue Möglichkeiten, Diskriminierung und rassistische Ausschlüsse zurückzuweisen und juristisch zu bekämpfen. Ähnliches lässt sich für Österreich und die Schweiz, aber auch für viele andere Einwanderungsländer weltweit registrieren: Einerseits pluralisieren sich diese Gesellschaften immer weiter, andererseits bestehen rassistische Ausschlüsse fort, bzw. werden entlang neuer Grenzen produziert, häufig im Zusammenspiel mit anderen gesellschaftlichen Verhältnissen wie Geschlecht und Klasse. Diese auf den ersten Blick widersprüchlichen Entwicklungen machen eine Aktualisierung von Rassismusanalysen notwendig. Die Linien, Techniken, Diskurse, Zielgruppen und Praktiken der rassistischen Zuweisung und des Ausschlusses haben sich mit den gesellschaftlichen Veränderungen verschoben und gewissermaßen verkompliziert. Rassistische Markierungen fungieren über Umwege, häufig in Referenz auf vermeintlich universelle Werte (bspw. Freiheit, Toleranz, Produktivität) und durch die systematische Dethematisierung rassistisch strukturierter Ungleichheit. Analytisch muss damit die Frage in den Mittelpunkt rücken, wie genau diese Ausschlüsse hergestellt und aufrechterhalten werden. Es fehlt bislang an empirischen Forschungen und rassismustheoretischen Reflektionen, die aufzeigen, wie und mit welchen Mitteln unter diesen veränderten Umständen neue Grenzen gezogen werden und wie sich dabei Subjektivierungs- und Organisationsformen und damit Grenzen und Möglichkeiten von Kämpfen und Taktiken gegen rassistische Ausschlüsse verändern.

Für die Ausgabe suchen wir Beiträge, die sich mit diesem Spannungsfeld auseinandersetzen. Das Journal bietet Raum für wissenschaftliche Aufsätze, politische Interventionen und Positionierungen, Interviews, Berichte aus der Forschung, Rezensionen. Insbesondere fragen wir nach wissenschaftlichen Aufsätzen, die eine theoretische und empirische Aktualisierung von Rassismustheorien entwickeln und die institutionelle Reproduktion von Rassismus in unterschiedlichen Feldern wie Arbeit, Bildung oder Wohnen untersuchen. Beiträge, die dabei Verschränkungen von Race/Class/Gender thematisieren, sind ausdrücklich erwünscht.

Wir freuen uns über die Zusendung von maximal einseitigen Abstracts bis zum 1.8.2015. Die fertigen Beiträge sollen je nach Format einen Umfang von 20.000 bis 40.000 Zeichen haben und können auf Deutsch oder Englisch verfasst sein (weitere Sprachen auf Anfrage). Deadline für die vollständigen Beiträge wird der 1.12.2015 sein. Alle Einreichungen müssen für die Publikation erfolgreich das Review-Verfahren durchlaufen. Wissenschaftliche Aufsätze werden von mindestens zwei Expert_innen anonym begutachtet, alle anderen Beiträge durch die Redaktion (ebenfalls blind). In jedem Fall diskutiert die Redaktion Kommentare und Überarbeitungsvorschläge mit den Autor_innen in einem transparenten Prozess. Erscheinungstermin der Ausgabe ist April 2016.

Kontakt und Zusendung der Abstracts:

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