Rassismus auf dem Wohnungsmarkt

Fallstricke und Potenziale des Paired Ethnic Testings

Valentin Domann

Abstract This article critically discusses multiple implications of Paired Ethnic Testing as a research tool for the measurement of housing discrimination. After a brief introduction of the methodology, the text presents an overview of the current debate about challenges and emancipatory potentials of this approach. In conclusion, it argues for reconnecting empirical and anti-discriminatory approaches.


Keywords paired ethnic testing, racism, housing, discrimination, action research


Dass ethnische Segregation in den europäischen Großstädten nicht aus der Zufälligkeit verschiedener Wohnortpräferenzen entsteht, sondern diskriminierende Vermietungspraxen dabei eine enorme Rolle spielen, ist eigentlich hinlänglich bekannt. Doch der Dimension Rassismus wird in der Regel in Bezug auf Stadtentwicklungsprozesse nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt und auch medial bleibt das Thema unterbelichtet. Nur selten werden Fälle wie die versuchte Entmietung von Bewohner_innen mit Migrationshintergrund im Berliner Fanny-Hensel Kiez publik.

Anfang 2015 wurde hier eine Vermieterin zu einer Geldstrafe von 30.000 Euro verurteilt, weil sie Mieterhöhungen in ihrem Bestand lediglich von Bewohner_innen türkischer oder arabischer Herkunft einforderte. Das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg (2014) sah es als erwiesen an, dass die Beklagte die Mieter_innen aufgrund ihrer Herkunft nicht in ihrem Bestand leben lassen wollte und ihnen durch ihr Vorgehen „krasse Abwertung, Ausgrenzung und massive Ungerechtigkeit“ vermittelte (ebd.: 14). Dass dieser Fall überhaupt vor Gericht gebracht wurde und zeitweise eine größere mediale Reichweite erlangte, ist insbesondere der Unterstützung des Türkischen Bundes in Berlin-Brandenburg (TBB) und solidarischer Nachbar_innen zu verdanken (Kilic 2015)1. Dies legt die Vermutung nahe, dass die Vielzahl von Fällen rassistischer Vermietungspraxis gar nicht erst publik wird – verlässliche Zahlen dazu gibt es keine.

Nicht nur mangelt es an einer statistischen Erfassung der Fallzahlen, auch die Art und Weise wie auf dem Wohnungsmarkt diskriminiert wird, ist noch unterbelichtet. Vermehrt wird nun Hoffnung in eine Methode gesetzt, die verspricht Licht in dieses Dunkel zu bringen und Mechanismen der Diskriminierung offen zu legen: Das sogenannte Paired Ethnic Testing. Trotz der langsam wachsenden Zahl von Testing-Studien fehlt es noch an Reflexionsversuchen und der politischen und theoretischen Bewertung ihrer Implikationen. Dieser Artikel soll einen Schritt in diese Richtung darstellen und will Wege aufzeigen, wie die Methode weiter als kritische Forschungs- und Antidiskriminierungspraxis eingesetzt werden kann.

Paired Ethnic Testing - Charakteristika und Funktionsweisen

Mit der Methode des Paired Ethnic Testing kann systematisch geprüft werden, ob rassistische Diskriminierung vorliegt, indem ein Testpaar, welches sich aus einer Testperson mit (zugeschriebenem) Migrationshintergrund und einer Vergleichsperson aus der sogenannten Mehrheitsgesellschaft zusammensetzt, sich auf ein und dasselbe Angebot bewirbt. Wenn sich bis auf den Faktor, ob ein Migrationshintergrund zugeschrieben wird oder nicht, alle anderen relevanten Eigenschaften (Einkommen, Status etc.) gleichen und die Testperson schlechter behandelt wird, liegt ein Indiz für Diskriminierung aufgrund der Ethnie vor (dazu grundsätzlich Yiğit et al. 2010 und Oh/Yinger 2015: 7ff. oder anleitend ADS 2015a: 32ff.). Dieses Vorgehen kann auch auf andere (mehr oder weniger sichtbare) Merkmale wie Alter und Geschlecht angewendet werden und auch die getesteten Angebote können sich unterscheiden (zB. Disco-Testing).

Historisch wurde die Methode in den USA der 1960er Jahre im Zuge des Fair Housing Act zuerst auf dem Wohnungsmarkt erprobt (vgl. Wienk et al. 1979; Yinger 1986; Ross 2000; Turner et al. 2002; HUD 2013). Nun finden solche Ansätze auch vermehrt in Europa (vgl. Duguet et al. 2007; Van der Plancke 2007; Ahmed/Hammarstedt 2008; HALDE 2009;Wood et al. 2009) und Deutschland (vgl. Planerladen 2007; Kilic 2008; Auspurg et al. 2011; Lechner 2012; Ouaissa et al. 2014; ADS 2015b) Anwendung. Damit kamen deutsche Testing-Studien erst vergleichsweise spät auf, was auch daran liegen mag, dass im Vergleich zu den USA (1968 und 1988) erst 2006 ein Antidiskriminierungsgesetz eingeführt wurde, welches in der Beweislastregelung Testings prinzipiell als Belege für Diskriminierung zulässt.2

Nuran Yiğit, Eva Maria Andrades Vazquez und Serdar Yazar haben 2010 einen ersten Versuch unternommen, die möglichen Anwendungsarten des Testings aufzuschlüsseln. Dabei unterscheiden sie hauptsächlich zwischen reaktiven und initiativen Testings. Reaktiv wird die Methode hauptsächlich in der direkten Antidiskriminierungsarbeit angewandt, um bei erfahrener Diskriminierung die Indizien mittels einer Testperson nachträglich zu verifizieren und eventuell rechtliche Schritte einzuleiten. Alle deutschsprachigen, wissenschaftlichen Testing-Studien gingen hingegen bis dato initiativ vor, indem sie Situationen, in denen diskriminierendes Verhalten auftritt und messbar wird, erst künstlich herstellten.

Eine weitere Differenzierung der Methode nehmen Sun Jung Oh und John Yinger (2015) vor. Sie unterscheiden die initiativen Testings ferner bzgl. der körperlichen Anwesenheit des Testpaars in correspondence- und in-person-audits (Oh/Yinger 2015: 20). Correspondence-Testings arbeiten daher mit Telefon-, Brief- oder Email-Interaktion, während in-person- oder auch face-to-face-Testings den direkten Kontakt zwischen Mieter_in und Vermieter_in während der Besichtigung suchen.

Diskussionsstand und Kritik an der Methode

Im Folgenden sollen vier Kritikpunkte, welche in der Debatte um Testings hauptsächlich problematisiert werden, strukturiert dargestellt und diskutiert werden. Dabei finden Stimmen aus Beratungspraxis und Wissenschaft gleichermaßen Berücksichtigung, um letztlich Wege auszuloten, diese Methode weiter zu verbessern und zu etablieren.

Aufwand und Ressourceneinsatz bei Testing

Bei größeren Versuchsanordnungen entstehen bei Testings (insbesondere im face-to-face-Testing) recht schnell hohe Personal- und Koordinationskosten. Während in den USA die Finanzierung solcher Studien zum Alltagsgeschäft gehört, entspann sich in Deutschland harsche Kritik an dem Kosten-Nutzen-Verhältnis der Methode. Entfacht hat sich die Debatte an zwei institutionalisierten Forschungen, die höhere Fallzahlen generieren wollten.

Katrin Auspurg, Thomas Hinz und Laura Schmid konnten etwa im Rahmen einer DFG-Forschung 637 Münchner Wohnungen per Mail testen (Auspurg/Hinz/Schmid 2011: 19) und auch eine von der ADS (Antidiskriminierungsstelle des Bundes) in Auftrag gegebene Studie hat 604 Telefon- und etwa 200 davon unabhängige face-to-face-Testings produziert (ADS 2015b: 35, 39). Der Vorwurf von einem No-Lager-Bündnis, dass mit Testings finanzielle Mittel verschwendet würden und sich die „Unterstützung bei rassistischer Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt bislang in wissenschaftlichen Studien verliert“ (BgLBB 2014), erscheint in Anbetracht dieser Zahlen zunächst plausibel, wenn man sie dem ausgedünnten Netz von Beratungsstellen gegenüberstellt. Allerdings ist es zu kurz gegriffen, diese beiden Anliegen gegeneinander auszuspielen, denn Beratung und Forschung qualifizieren sich im Idealfall gegenseitig (vgl. Turner 2015: 4f.). So ist es nicht die Gewichtung antidiskriminatorischer Mittel für Beratung oder Forschung, sondern ihr geringer Gesamtumfang, der auf den Prüfstand gehört. Während beispielsweise die ADS drei Regionen mit insgesamt ca. 800 Testings untersuchen konnte, nahm die vergleichbare Studie des US-amerikanischen HUD (Department of Housing and Urban Development) 8000 Testings in 28 Regionen unter die Lupe. Doch auch die aktive Beratung kann in den USA auf ganz andere Mittel zurückgreifen: dem HUD untersteht das mit 54 Standorten und 600 Personalstellen ausgestattete Office of Fair Housing and Equal Opportunity, dessen europäische oder bundesdeutsche Entsprechung man vergeblich sucht.

Eklatant ressourcenschonender als diese groß angelegte Pilotstudie und zum Teil sogar medial wirkmächtiger sind in Deutschland universitär angebundene Testings, wie die von Amel Ouaissa, Alexandros Semeloglu und Elena Höpfner (2014; vgl. Ouaissa 2015) oder Emsal Kilic (2008). Ihre Testing-Studie war 2008 bundesweit eine der ersten und sorgte aufgrund der festgestellten eklatanten rassistischen Diskriminierung auf dem Berliner Wohnungsmarkt für ein großes mediales Echo. Noch hat das Testing damit längst nicht seinen Platz im methodischen Curriculum an den hiesigen Unis gefunden, doch die zunehmende Zahl an selbstorganisierten studentischen Projekten kann Hoffnung auf eine langsame Etablierung dieser Methode machen.

Politische Wirksamkeit

Testing-Verfahren können nicht nur auf juristischer Ebene ihr Potenzial entfalten, sondern beeinflussen auch den politischen Diskurs. Die Strategien, die Ergebnisse politisch zu verwerten, unterscheiden sich unter den Forschenden jedoch sehr. Exemplarisch für die unterschiedlichen Ansätze können im deutschsprachigen Raum die Studie von Kilic (2008) als universitäre und die der ADS (2015b) als staatlich angebundene angeführt werden. Während Kilic „erstmals beweisen wollte, dass auf dem Berliner Wohnungsmarkt türkischstämmige Personen massiv benachteiligt werden“ (Kilic 2015), ging es der ADS eher darum, ein differenzierteres Bild von Mechanismen und Strukturen von diskriminierendem Verhalten zu erstellen (vgl. ADS 2015b: 6). So hat die ADS letztlich das erhobene Zahlenmaterial in der endgültigen Version tendenziell defensiv3 ausgewertet (vgl. Analyse des gesamten Materials von DIW Econ 2014) und versucht die Ergebnisse nun im Sinne von Best Practice Analysen und Fachgesprächen in die Politik, Wissenschaft und Wohnungswirtschaft zu tragen, um den betreffenden Akteuren ihre Verantwortung auf diese Weise zu vermitteln (bspw. ADS 2015a). Entsprechend zurückhaltend geht die ADS auch in ihrer Öffentlichkeitsarbeit vor. Ihren beiden umfassenden Testings kommt in einer 90-seitigen Online-Expertise eher eine Nebenrolle zu. Da die Studie etwa ein Jahr später als geplant veröffentlicht wurde und anscheinend im Forschungsverlauf auch die beauftragten Institute gewechselt wurden (ADS 2015b: 38), scheint es in der Umsetzung des Testing-Verfahrens zu einigen forschungspraktischen Problemen gekommen zu sein. Doch diese Hürden der Pilotstudie nicht transparent darzulegen, läuft konträr zu ihrem proklamierten Ziel, das Erhebungsinstrument in der Wissenschaft zu verankern und weiterzuentwickeln (ADS 2015b: 80).

Demgegenüber ist die Veröffentlichungsstrategie von Emsal Kilic eher als polarisierend zu bewerten: in vielen überregionalen Medien gab sie bereitwillig Interviews und prangerte öffentlich die nachgewiesenen Rassismen auf dem Wohnungsmarkt an. Trotz viel geringerer Fallzahl gab sie einen umfassenden Einblick, wie genau die subtilen Handlungen der Diskriminierung verlaufen können. Hierfür insistiert sie auf die Relevanz von direktem face-to-face-Testing und die genaue Protokollierung von Nuancen der Ablehnung und Ungleichbehandlung (Kilic 2015). Dafür ist allerdings der Einsatz von Tester_innen unumgänglich, welcher eine Vielzahl von ethischen und epistemologischen Fallstricken mit sich bringt.

Rolle der Tester_innen

Mit dem face-to-face- geht eine gewisse Ungenauigkeit gegenüber dem Correspondence-Testing einher, indem bei einer persönlichen Interaktion noch viel mehr als einzig das zu testende Merkmal (des zugeschriebenen Migrationshintergrundes) eine Rolle spielt (vgl. Freiberg/Squires 2015: 92). Zudem, folgt man Bourdieu, drücken sich im persönlichen Auftreten Merkmale wie beispielsweise Klasse oder Bildung aus, die über persönliche (A)Sympathien entscheiden und damit letztlich auch die Entscheidung über die Vergabe des Mietvertrags beeinflussen können. Wie sehr man auch versucht, das Testpaar aneinander anzugleichen und den Versuchsaufbau zu standardisieren, letztlich sind Beeinflussungen des Ergebnisses durch inkorporierten sozialen Hintergrund und Charakter der Testenden niemals gänzlich auszuschließen.

Damit einher geht auch eine gewisse psychische Belastung der Tester_innen. Mit der Methode werden Situationen erzeugt, in denen die Tester_innen im Zweifelsfall massive rassistische Diskriminierung erfahren müssen. Vor diesem Hintergrund empfiehlt Ali Ahmed (2015: 138), dass bei der Rekrutierung der Testpersonen dieser Fakt offensiv kommuniziert werden muss. Kilic (2015) ergänzt weiterhin die Bedeutung einer intensiven Begleitung der Testenden bei der Durchführung der Studie und hält auch den Einsatz professioneller Schauspieler_innen für eine mögliche Option.

Eine weitere forschungsethische Schwierigkeit ist, dass die Tester_innen in der Test-Situation angehalten sind, ihr Gegenüber zu täuschen, was Ahmed (2015: 138) auch für einen relevanten Grund hält, weshalb sich die Methode nur so zögerlich in Europa durchsetzt. Weiterhin wird an die Testenden der Anspruch gestellt, extrem genau das Verhalten des Gegenübers zu protokollieren, um die verdeckten Spielarten rassistischer Benachteiligung zu erfassen: „Wichtige Kategorien des Protokolls waren die Körperhaltung und Sprache, sowie Nähe und Distanz der Anderen. So haben wir versucht an subtiles Abwehrverhalten heranzukommen“ (Kilic 2015). Hinzu gesellt sich oftmals die Anforderung, dass die Tester_innen versuchen sollten, möglichst weit im Vergabeverfahren voranzukommen, um nachfolgende Schritte auf diskriminatorische Praxen zu überprüfen, wozu sie sich intensiv auf ihr Gegenüber einlassen, charmant und kreativ sein müssen (Freiberg/Squires 2015: 93). Die tendenzielle Überforderung der Testenden mit unterschiedlichsten Ansprüchen bleibt damit eine zentrale Frage, für die zukünftige Testings noch Antworten finden und eventuell neue Wege etablieren müssen.

Erfassen von intersektionaler Diskriminierung

Die meisten deutschen Testings haben das Feld anhand von gut situierten, alleinstehenden und kinderlosen weiblichen Testidentitäten untersucht. Die ADS reflektiert dabei, dass damit „die überwiegende gesellschaftliche Positionierung von Migrant_innen und Menschen mit Migrationshintergrund aus dem Untersuchungsrahmen“ herausfällt (ADS 2015b: 62). Doch wird das Vorgehen damit gerechtfertigt, dass nur auf diese Weise Ungleichbehandlung aufgrund der familiären Situation und des Geschlechts (innerhalb der Testgruppe) ausgeschlossen werden kann. Ein weiterer Grund für dieses Vorgehen ist der rein forschungsökonomische, dass nur durch die konstruierte überdurchschnittliche finanzielle Situation der Testerinnen die benötigte Fallzahl an Wohnungsbesichtigungen generiert werden konnte: „Bekämen alle Testpersonen eine Absage, wäre ein Vergleich auch nicht mehr möglich“ (ebd.). So besteht eine weitere Schwierigkeit der Methode darin, dass die Vielfalt diskriminierungswirksamer Faktoren in ihrem Zusammenwirken nur schwerlich erfasst werden kann. Der Versuchsaufbau ist, da pro Test nur ein Merkmal zuverlässig überprüft werden kann, zunächst zwangsläufig blind gegenüber Intersektionalität (MacDonald et al. 2016: 9). Zur validen Überprüfung von Merkmalskombinationen müssten sich die Fallzahlen potenzieren.

Der Umgang mit dieser erzwungenen Eindimensionalität der einzelnen Testings wird in der Forschungslandschaft unterschiedlich gehandhabt. Die ADS wählte dabei den Weg, durch das Verschneiden hoher sauber erhobener Fallzahlen mehrdimensionale Diskriminierung statistisch fassbar zu machen. Dafür wurde in ihrer Studie auch das Merkmal offensichtlicher Religionszugehörigkeit mit einbezogen, was in diesem Zusammenhang skandalöse Ergebnisse zutage brachte. Andere Forschende empfehlen bei hoher Fallzahl die Überprüfung anderer Merkmale, wie sexuelle Orientierung und Familienstand (Friedman 2015: 146), Alter und Aufenthaltsstatus (Kilic 2015), Klasse (MacDonald et al. 2016: 10), Behinderung oder Transferabhängigkeit (Turner 2015: 8).

Bei kleinerer Fallzahl blieben diese mehrdimensionalen Diskriminierungsformen letztlich nur mittels qualitativer Erhebung fassbar. So wird es eine Aufgabe zukünftiger Testings sein müssen, sich diesen Zusammenhängen über die Fallstudien zunächst situationsbezogen als rein quantitativ zu nähern. Dabei kann der Versuchsaufbau zwar von vorangegangenen Studien informiert werden, doch müssen stets kreativ neue Wege gesucht werden, da auch Diskriminierung ein moving target (Friedman 2015: 147) ist: „A standardized or ‚one-size-fits-all’ approach to paired testing may not be capable of detecting some of the most pernicious discriminatory conduct“ (Freiberg/Squires 2015: 92).

Plädoyer für eine Rückbindung an die Beratungspraxis

Eine weitere Option, um das tatsächliche Ausmaß rassistischer Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt sichtbar zu machen und über hohe Fallzahlen auch Mechanismen intersektionaler Diskriminierung fassen zu können, ist die konsequente Anbindung der Forschungs- an die Beratungspraxis (Ahmed 2015: 139). Obwohl eine viel zu schwach ausgeprägte insbesondere niedrigschwellige Anlaufstellenstruktur für Betroffene besteht, tun sich doch gerade in diesem Feld Möglichkeiten auf, das vermeintlich objektiv Wissenschaftliche mit dem politisch Nützlichen zu verbinden.

Da der Staat so eklatant darin versagt, ein umfassendes Unterstützungsnetz für von Rassismus Betroffene aufzubauen und die verschiedenen Landesantidiskriminierungsstellen unter permanenter Mittelknappheit leiden, bilden sich in den letzten Jahren vermehrt antirassistische Initiativen, die sich oftmals soweit professionalisiert haben, dass sie Erstberatungen, Sprachkurse und auch Unterstützung bei der Wohnungssuche anbieten können. Aber auch funktionierende Kiezstrukturen, Stadtteilläden und andere soziale Einrichtungen dienen oftmals als erste Unterstützung für Betroffene. Diese zumeist ehrenamtlich getragenen Strukturen schaffen es jedoch nur sehr selten, die Vielzahl an Diskriminierungsfällen strukturiert zu dokumentieren oder auszuwerten. In diesem Sinne wäre forschungsethisch zu überdenken, ob in einem Land, in dem rassistische Diskriminierungserfahrungen zum Alltag vieler Menschen gehören und unzählige Berichte dazu vorliegen (bspw. Aydin 2015), eine derartige Situation künstlich durch initiative Testings hergestellt werden muss.

Hier ergibt sich ein mögliches neues Forschungsfeld, welches die prinzipiell privilegierte Academia mit ihren Kapazitäten auch unterstützen könnte. Im Sinne von Aktions- oder partizipativer Forschung (vgl. Fals Borda/Rahman 1991) kann in einem solchen Engagement die Grenze von Forschungssubjekt und -objekt sinnhaft infrage gestellt werden und Betroffenenberichte tatsächlich ernstgenommen werden.

Fazit

Es lässt sich feststellen, dass die Einfachheit der Testing-Methode zugleich ihre größte Stärke und größte Schwäche ist. Testings schaffen es, mit einer relativ simplen Versuchsanordnung rassistische Diskriminierung rechtlich nachzuweisen, valide Quantitäten zu erzeugen und in face-to-face-Testings auch qualitative Einblicke in Ablehnungsmechanismen der gate keeper zu generieren. Bei vermehrter Anwendung könnte auch tatsächlich politischer Druck auf Akteure des Wohnungsmarktes hergestellt werden. Gleichzeitig verbleibt diese Methode damit aber auch bisher auf einem unterkomplexen und objektivierenden Level. Um dieser Objektivierung entgegenzuwirken und die Erfahrungen der Betroffenen in ihrer Komplexität erfassen zu können, bieten sich in der Zukunft aktionsforscherische Ansätze an, die den Rahmen des wissenschaftlichen Experiments verlassen und sich auf die Niederungen des rassistischen Alltags einlassen müssten.

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Valentin Domann hat Regionalstudien und Geographie in Berlin studiert und ist in diversen stadtpolitischen Zusammenhängen aktiv. Aktuell forscht und arbeitet er für Planungsbüros und -institutionen an unterschiedlichen Schnittstellen von Antidiskriminierungspolitik und Stadtentwicklung.