Abstract Like an echo of recent migration movements, the number of repatriation cases is increasing. Whenever immigration authorities suspect the risk of absconding, they detain the migrant by producing detention documents. This paper presents research on these administrative-judicial practices concerning migrant detention, with the goal of reconstructing their social and political moments — which become invisible once the documents are signed and executed. In this regard, documents are circulated in a legal-administrative network — separate from the migrants they represent. As a consequence, the objectification of migrants as references within these bureaucratic practices results in »documentary detention«. By producing legal documents, authorities legitimize their version of truth, even when the entanglements of migrants in documents can be retraced to incorrect translations of a person into its textual representation. Therefore, by critically questioning those practices of truth production and negotiation, migrant detention is re-politicized.
Keywords ethnography, documentality studies, ANT, performativity, migrant detention
Seit ihrer Inhaftierung in einem deutschen Abschiebungsgewahrsam kreisten die Gedanken von Frau D. immer wieder um dieselbe Frage: Wie konnte es nur soweit kommen? Ohne tiefgreifendes Verständnis für die juristische Sprache, welche in ihren Haftdokumenten eingeschrieben ist, war es ihr nicht möglich, die rechtlichen Beweggründe für ihre Inhaftierung nachzuvollziehen. Jedoch wurde ihr bewusst, dass sie sich über diese physische Inhaftierung hinaus bereits seit Längerem in Gewahrsam von Dokumenten befindet:
»Even before they […] brought me to the jail, I had another detention which was causing a long period of stress and depression. […] It was a detention for me to go every week [to Ausländerbehörde to prolong Duldung]. It feels like you are in jail. […] What is the difference to when I was outside? […] And this is another detention written down in papers.« (Interview Frau D. 2016)
Während zur Lebenswirklichkeit von Migrant_innen in Haft und somit zur physischen Inhaftierung bereits Forschungen existieren (vgl. Bosworth 2012; Ogada-Osir et al. 2014; Lietaert/Broekaert/Derluyn 2014; Moran/Gill/Conlon 2013; Schwarz 2015), ist die dokumentarische Dimension der Inhaftierung, auf welche ich mich in diesem Artikel beziehe, bisher weitgehend ausgeblendet worden. Als eine der wenigen beleuchtet Kristen Drybread 2016 in ihrer Forschung die Rolle von Dokumenten in einem brasilianischen Jugendgefängnis: »Yet the […] inmates also suffer violence at the hands of prison staff and administrators in less obvious ways — through the production and circulation of institutional paperwork« (Drybread 2016: 411). In Anlehnung daran können die in räumlicher Entfernung zu den festgesetzten Migranten_innen stattfindenden bürokratischen Schreibprozesse von Ausländerbehörden und Amtsrichter_innen, wie von Frau D. dargestellt, als eine Gefangennahme durch Dokumente wahrgenommen werden. In meiner Forschung ging ich der Frage nach, wie die im rechtlich-administrativen Netzwerk zirkulierenden Dokumente Abschiebungshaft erzeugen und welche Konsequenzen sich hieraus für die Akteur_innen des Netzwerks ergeben.
Eine Untersuchung der dokumentarischen Dimension der Abschiebungshaft lenkt den Blick somit auf die im Hintergrund ablaufenden rechtlich-bürokratischen Praktiken. Durch die Betrachtung der dynamischen, jedoch meist unhinterfragten Prozesse der Hervorbringung von Dokumenten lassen sich unsichtbar gewordene Herstellungsschritte rekonstruieren und die vermeintliche Statik der Texte überwinden (vgl. Scheffer 2001: 9, 100; Weisser 2014: 48). So erfordert die Anordnung dieser Verwaltungshaft eine in mehrere Schritte unterteilte Produktion von Haftanträgen und -beschlüssen. Der_die Migrant_in wird zunächst von der Ausländerbehörde in einen Haftantrag überführt, welcher anschließend an das Amtsgericht weitergereicht wird. Nach der gerichtlichen Prüfung der Haftvoraussetzungen erstellt der_die Amtsrichter_in gegebenenfalls einen Haftbeschluss, welcher zur Inhaftierung der Person führt (vgl. von Borstel 2013). Im Sinne der Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT)1 (Latour 2004) und Ansätzen zu Documentality2 (Weisser 2014) werden somit Dokumente als zentrale Akteure im Netzwerk hervorgebracht. Die Dokumente machen Personen in Form von textlichen Referenzen rechtlich verhandelbar und zirkulieren für die weitere Bearbeitung innerhalb des rechtlich-administrativen Netzwerks. Während diese textlichen Referenzen mobil sind, befindet sich der_die Betroffene bereits in Gewahrsam und ist immobil. Eine derartige Analyse rechtlich-bürokratischer Praktiken ermöglicht es, soziale und politische Momente sichtbar zu machen, welche in den fertiggestellten Dokumenten bereits nicht mehr auszumachen sind. Indem der Blick in diesem Artikel auf die Dokumentarist_innen und die durch sie produzierten Dokumente gerichtet wird, werden somit Praktiken der Wahrheitsproduktion und deren Depolitisierung deutlich.
Die etwa fünfmonatige Feldforschung nahm ihren Anfang in einer Gewahrsamseinrichtung in Deutschland. In dem Versuch den Weg der Haftdokumente durch das Netzwerk nachzuvollziehen, führte mich die Untersuchung schließlich zu Ausländerbehörden, Amtsgerichten und Rechtsanwält_innen. In diesem Sinne folgte ich mithilfe eines multiperspektivischen Ansatzes einer Multi-Sited Ethnography (Marcus 1998) Akteur_innen im Feld. Aufgrund der zentralen Rolle der im Netzwerk zirkulierenden Dokumente im Sinne der ANT kommt bei dieser Forschung auch das Konzept des follow the object (Marcus 1995: 106) und in diesem spezifischen Fall follow the document (Bueger 2014) zum Tragen. Dabei fanden verschiedene Methoden und Instrumente wie teilnehmende Beobachtung, Dokumentenanalyse sowie leitfadengestützte, problemzentrierte Interviews Anwendung (vgl. Lamnek 2010).
In der Ausländerbehörde
Das Abschiebungshaftverfahren wird durch einen Haftantrag der zuständigen Ausländerbehörde eingeleitet. Hierbei werden Aspekte des_der Migrant_in, welche als wesentlich für den Prozess eingestuft werden, herangezogen und in eine standardisierte und administrativ-rechtlich kompatible Form umgewandelt. Durch die im Folgenden beschriebenen Praktiken der Dokumentalisierung distanzieren sich die Rechtsanwender_innen zunehmend von dem verhandelten und referenzierten Subjekt und beschäftigen sich anstatt mit Individuen mit dokumentierten Fällen (vgl. Latour 1999: 71).
Die dabei vollzogene Überführung von Menschen in dokumentarische Referenzen lässt sich anhand von Bruno Latours (1999) Konzept der zirkulierenden Referenz nachvollziehen. Diese Referenzen stellen abstrahierte Repräsentationen der Wirklichkeit dar und sind das Ergebnis eines sukzessiven Übersetzungsprozesses bei dem Versuch, die Wirklichkeit abzubilden (vgl. ebd.: 43). Latour demonstriert dies anhand der schrittweisen Übersetzung von Bodenproben in eine wissenschaftliche Veröffentlichung. Hierbei geht es um die Frage: »Wie fassen wir die Welt in Worte?« (Ebd.: 36) In jedem Teilschritt des Übersetzungsprozesses werden sogenannte Operatoren bzw. Hilfsmittel eingesetzt, um »die Extreme von Materie und Form [zu] verbinden« (ebd.: 85) — in diesem Fall Subjekt und Haftdokument. Die Nachvollziehbarkeit der Übersetzung und somit die Verbindung zwischen Migrant_in und der schriftlichen Form wird mithilfe von Verweisen auf die Verwendung entsprechender Operatoren, etwa das Aufenthaltsgesetz, legitimiert. In diesem Sinne werden den Personen zugeschriebene Merkmale sowie Auszüge menschlicher Biographien unter Zuhilfenahme verschiedener Instrumente in Zeichen, Schrift und Paragraphen und somit in die textliche Form der Haftdokumente transformiert. In Teilschritten entfernt sich der_die administrativ-rechtliche Bearbeiter_in von dem ausgehandelten Subjekt und schafft durch die Dokumentalisierung in Form eines Haftantrags eine Abstraktion dessen (vgl. ebd.: 71). Durch die Untersuchung dieser schrittweisen Transformationen werden rechtliche Praktiken innerhalb des bürokratischen Netzwerks der Abschiebungshaft im Detail nachvollzogen und somit auch soziale und politische Momente sichtbar.
Bei der Erstellung eines Haftantrags fixiert der_die zuständige Bearbeiter_in der Ausländerbehörde zunächst jene Situation schriftlich, welche aus Sicht der Ausländerbehörde eine Inhaftierung rechtfertigt. Abbildung 1 zeigt das Ergebnis im Fall der interviewten Insassin Frau E.
Mithilfe dieser Zeilen in Abbildung 1 produziert die Ausländerbehörde schriftliche Wahrheiten, welche im Verlauf des Verfahrens in Form einer Referenz des_der verhandelten Migrant_in zwischen verschiedenen Akteur_innen und Institutionen zirkulieren. Durch die Weiterreichung der Dokumente, welche als Grundlage für eigene Dokumente verwendet und anschließend verbreitet werden, sind die ihnen inhärenten dokumentarischen Einschreibungen im Netzwerk omnipräsent (vgl. Kameo/Whalen 2015: 208). Diese Dokumentation kann sich dabei jedoch auf drastische Weise von der Wahrnehmung der Migrant_innen unterscheiden, wie die persönliche Schilderung von Frau E. demonstriert:
»The police came. I couldn’t [come along] because […] I have this heart problem […]. I have just gotten like a shock. I fell down […], but they were like I’m doing theatre. […] The doctor did not examine […] my blood, but they say I’m ok. But here [in migrant detention] now everyday they check my blood. Blood pressure is always up.« (Interview Frau E., 2016)
Im Gegensatz zu der Version der Ausländerbehörde wurde ihre jedoch nicht verschriftlicht, wodurch ihr die Legitimität fehlt, auf die Verhandlung ihrer Inhaftierung Einfluss zu nehmen. Durch die dokumentarische Fixierung der Perspektive der Ausländerbehörde hingegen wird eine Version bzw. Repräsentation festgeschrieben und dem Dokument in diesem Sinne eine Akteursmacht zugesprochen, da es von nun an innerhalb des Netzwerks sowohl referenzieren als auch referenziert werden kann.
Indem der_die Verfahrensbearbeiter_in der Ausländerbehörde im Anschluss an diese Darstellung die Haftgründe definiert, überträgt er_sie diese Ereignisse mithilfe von Gesetzestexten in eine rechtlich analysierbare Form. Dadurch steht nicht mehr die Einmaligkeit des Vorfalls, sondern dessen Übertragbarkeit und Klassifizierung anhand des Gesetzes im Vordergrund. In diesem Sinne wurde die ursprüngliche Momentaufnahme transformiert und abstrahiert, indem sie durch Operatoren in Form von Paragraphen des Aufenthaltsgesetzes in Verbindung mit Haftgründen gesetzt wurde. In Abbildung 2 ist der entsprechende Auszug aus dem Haftantrag von Frau E. dargestellt.
Die im Haftantrag eingesetzten rechtlichen Instrumente verlangen dem Leser ein Verständnis jener juristischen Praktiken ab, welche den Paragraphen eingeschrieben sind. Mithilfe eines komplexen juristischen Zeichensystems als Operatoren wird demnach die nächste Transformations- und Abstraktionsstufe erreicht, indem der Vorfall anhand von Gesetzestexten interpretiert wird. An dieser Stelle wird die Deutungshoheit der Behörde gegenüber der subjektiven Erfahrung von Frau E. sichtbar.
Zudem hat die Ausländerbehörde im Haftantrag Angaben hinsichtlich einer konkreten Haftdauer zu leisten. Dieser Übersetzungsschritt ist auf direkte Weise von der zeitlichen Organisation der Rückführungsmaßnahmen abhängig. Insofern werden die erwartete Bearbeitungsdauer und deren inhärente Praktiken, wie die Beschaffung von Passdokumenten und/oder die Flugbuchung in die Haftanträge eingeschrieben (Interview Herr V. 2016). In diesem Sinne berichtet Herr V. über die Festlegung der Haftdauer:
»Das müssen wir [im Haftantrag] genau darlegen wie. Wenn wir keinen Pass haben und somit kein Rückreisedokument oder wie lange das dauert bis das ausgestellt ist. Wo wir das beantragen oder ob es schon beantragt ist und in welchem Stand das Verfahren ist.« (Interview Herr V. 2016)
Basierend auf individuellen und institutionalisierten Erfahrungen in Form von Länderdatenbanken, welche die Bearbeitungsdauer verschiedener Konsulate bereitstellen, fungiert der erwartete Bearbeitungszeitraum als Operator dieses Übersetzungsschrittes (Interview Herr W. 2016).
Trotz dieses klar gesetzten rechtlichen Rahmens wird den Verfahrensbearbeiter_innen in der Anwendung eine gewisse Interpretation der Gesetzestexte zugestanden. Infolgedessen eröffnen sich in Abwägung der sogenannten Tatbestände im Herstellungsprozess des Haftantrags Verhandlungsräume, wie das folgende Zitat eines Mitarbeiters einer Ausländerbehörde verdeutlicht: »[Nicht eindeutige Fälle] gibt es durchaus, aber das sind dann solche Beurteilungsfälle. […] Im Kollegenkreis diskutieren wir das aus« (Interview Herr V. 2016). Das legt bereits nahe, dass der Einsatz der Operatoren ein sozialer Prozess ist und unter Umständen Absprachen und Fachliteratur erfordert. Die Anfertigung und die Inkraftsetzung von Dokumenten in der bürokratischen Praxis werden jedoch häufig fälschlicherweise als apolitische und technokratische Vorgänge wahrgenommen (vgl. Weisser 2014: 46). Deutlich werden soziale Prozesse in der Herstellung der Haftanträge auch mit Blick auf derzeitige politisch-rechtliche Entwicklungen. Mit den zahlreichen Gesetzesänderungen und der Rechtsprechung der letzten Jahre gingen hohe Anforderungen an die Rechtsanwender_innen einher. Diese stehen jedoch in Konflikt mit dem oftmals fehlenden Fachwissen und mangelnden Erfahrungen der Bearbeiter_innen in den Ausländerbehörden, welche zumeist nicht über breites juristisches Wissen verfügen, sondern punktuell eingearbeitet werden. Häufig schlagen sich unhinterfragte Routinen in der Praxis der Ausländerbehörden somit in rechtlich unzureichenden Haftanträgen nieder (Interview Herr V. 2016; Interview Herr F. 2016). Vor diesem Hintergrund ist der Prozess der Aushandlung von Abschiebungshaft akteursabhängig und sozial.
Durch die Hervorbringung von Haftanträgen werden außerdem politische Anliegen in bürokratischen Verfahren verhandelt und zugleich depolitisiert. Auch wenn die Praktiken der Dokumentarist_innen nicht per se politisch sondern administrativ sind, tragen die Dokumente aufgrund ihrer Verschränkungen in der Praxis politische Interessen und Einschreibungen in sich. Das Innenministerium des untersuchten Bundeslandes erzeugt in diesem Zusammenhang einen politischen Druck, welcher bis in die Verfahrensebene reicht. Die Beamten_innen werden dazu angehalten, Abschiebungszahlen zu generieren und diese an das Ministerium zu kommunizieren:
»Die Anzahl der Ausgereisten und derer, deren Aufenthalt so beendet worden ist, müssen [jede Woche; ThL] gemeldet werden und wenn das zu niedrig ist, kommen Nachfragen […] Das [Thema Rückführungen; ThL] ist auch in [Name des Bundeslandes] politisch auf erster Stelle der Tagesordnung zurzeit.« (Interview Herr V. 2016)
Die Bearbeitung dieser politischen Anliegen auf der Verwaltungsebene führt insofern zu einer Depolitisierung der Abschiebungshaftverfahren, da die politischen Dimensionen durch die routinierten Praktiken der bürokratischen Referenzierung verschleiert werden. In diesem Sinne nehmen die Dokumentarist_innen der Ausländerbehörde ihr Handeln als unpolitisch und technokratisch wahr, da es ihre Aufgabe ist, gemäß schematischer und standardisierter Vorgaben zu agieren. Im nächsten Abschnitt wird dargelegt, wie die Verhandlung politischer Anliegen das Dokument befähigt, als textlicher Akteur politisch zu handeln.
Im Amtsgericht
Nach Fertigstellung des Haftantrages wird er an den_die zuständige_n Amtsrichter_in weitergereicht. Aufgabe des_der Richter_in ist es, die Rechtmäßigkeit einer Inhaftierung zu überprüfen. Das geschieht, indem er_sie die Rückverfolgbarkeit der im Haftantrag vollzogenen rechtlichen Übersetzungen von Migrant_innen hin zum Haftantrag untersucht. Da die Transformation vom Menschen in die Haftdokumente nachvollziehbar sein muss, stellt die Reversibilität eine grundlegende Eigenschaft einer zirkulierenden Referenz dar (vgl. Latour 1999: 59). Denn ist diese Referenzkette als Ergebnis multipler Übersetzungen an einer oder mehreren Stellen fragmentiert, ist sozusagen die »Leitfähigkeit des Wahren unterbrochen« (ebd.: 85). Hierfür hat der_die Bearbeiter_in der Ausländerbehörde die einzelnen, im vorhergegangenen Kapitel beschriebenen Etappen im Haftantrag dokumentalisiert und somit schriftlich fixiert (vgl. ebd.: 60). Stimmt der_die Amtsrichter_in im Anschluss an eine Überprüfung den Ausführungen der Ausländerbehörde zu, gibt er_sie dem Antrag durch die Verordnung der Abschiebungshaft in Form eines Haftbeschlusses statt.
Zentrales Instrument bei der Prüfung des Haftantrages ist eine Anhörung des_der verhandelten Person. An dieser Stelle qualifiziert der_die Richter_in, metaphorisch gesprochen, den rechtmäßigen Einsatz der Operatoren durch einen Abgleich des Subjekts mit seiner textlichen Repräsentation. Im Gegensatz zur Herstellung dieser Referenz, bei welcher die antragstellende Behörde einen sukzessiven Übersetzungsprozess vom Menschen hin zur repräsentativen Textform vollzieht, beschreitet der_die Amtsrichter_in nun den entgegengesetzten Weg: die Rückverfolgung des Verschriftlichten hin zum repräsentierten Subjekt. Durch die Anhörung bezieht sich der_die Amtsrichter_in somit wieder auf das menschliche Individuum, von dem sich der_die Bearbeiter_in der Ausländerbehörde zunächst entfernt hat. Hierbei können sowohl formelle Übersetzungsfehler der Ausländerbehörde sowie familiäre oder gesundheitliche Hindernisse einer Inhaftierung, welche nicht aus dem Haftantrag hervorgehen, zum Vorschein kommen. Dieses Auffinden von nicht dokumentierten Inhaftierungshindernissen kann schließlich die Brüchigkeit einer Referenzkette aufzeigen, wie ein interviewter Amtsrichter verdeutlicht:
»Wenn der zum Beispiel mit einer Deutschen verheiratet ist […], dann muss ich theoretisch in Ermittlung treten und müsste die betreffende Ehefrau anhören. […] Weil […] Schutz von Ehe und Familie kann auch ein Abschiebehindernis sein.« (Interview Herr W. 2016)
Wirksam sind diese Gründe wiederum nur, wenn sie in eine entsprechend legitime und somit dokumentarische Form wie beispielsweise eine Heirats- oder eine Geburtsurkunde überführt werden.
Jedoch bleiben fragmentierte Referenzketten aufgrund der Machtasymmetrie zwischen dem verhandelten Subjekt und dessen textlicher Repräsentation häufig unentdeckt. Für die Anhörung werden neben dem_der verhandelten Migrant_in und einem_einer Dolmetscher_in weitere Verfahrensteilnehmer_innen wie die Ausländerbehörde oder in manchen Fällen ein_eine Rechtsanwält_in geladen. Aufgrund der teils weiten Distanzen, welche die Vertreter_innen der Ausländerbehörden zum Amtsgericht zurücklegen müssen, nehmen sie zuweilen nicht an der Anhörung teil (Interview Herr W. 2016). Die Interessen der Ausländerbehörde sind jedoch selbst bei ihrer Abwesenheit in der Anhörung vertreten, da sie zuvor in die Haftanträge eingeschrieben wurden. Nach vollzogener Referenzierung des verhandelten Individuums in eine Textform kann der Haftantrag an dieser Stelle als Akteur performativ innerhalb des rechtlich-administrativen Netzwerks der Abschiebungshaft wirken.
Das folgende Zitat eines Rechtsanwaltes zeigt auf, wie die im fertigen Haftantrag unsichtbar gewordenen sozialen Herstellungsprozesse die Entscheidungsfindung des_der Haftrichter_in wesentlich beeinflussen können:
»Dann glaubt [der_die Amtsrichter_in] […] dem Vortrag der Ausländerbehörde. Die werden schon nichts Falsches sagen. Machen die auch meistens nicht bewusst, aber oftmals wird einfach irgendetwas unterschlagen, weil man es als gar nicht für wesentlich ansieht.« (Interview Herr F. 2016)
Diese Vernachlässigung wichtiger Kriterien bei der Erstellung dokumentarischer Referenzen kann wiederum auf die oftmals mangelnden rechtlichen Kompetenzen der Ausländerbehörden zurückgeführt werden. In seiner fertiggestellten Form sind für den_die Amtsrichter_in somit bereits dargelegte soziale und politische Momente der Herstellung der Haftanträge nicht mehr sichtbar. Doch auch der rechtlich interpretative Spielraum der Bearbeiter_in der Ausländerbehörden kann oftmals nicht mehr nachverfolgt werden, wodurch Brüche in der Referenzkette häufig im Verborgenen bleiben. Hierbei wird die Macht der zirkulierenden Referenz sehr deutlich: Der_die Amtsrichter_in bezieht sich auf den textlichen Akteur in Form des Haftantrages, gleichwohl sich dessen Entstehungsprozess hinter den Kulissen der Ausländerbehörde vollzogen hat. Fehler in der Referenzkette des Haftantrages können auf diese Weise in den Haftbeschluss übernommen werden.
Diese Machtasymmetrie zwischen dem zu verhandelnden Subjekt und den Dokumenten wird dadurch verstärkt, dass es den Migrant_innen meist an rechtlichen Mediator_innen fehlt, die ihre Interessen in eine für das Verfahren erforderliche rechtlich-dokumentarische Form überführen. Die Ladung von Rechtsanwält_innen geschieht nur, wenn der_die Betroffene bereits anwaltlich vertreten ist und erreicht die Verfahrensbevollmächtigten oft zu kurzfristig. Denn anders als bei der Verhandlung einer Strafhaft wird bei der Abschiebungshaft als Verwaltungshaft kein_e Pflichtanwält_in zur Verfügung gestellt (Interview Herr W. 2016). Ohne das erforderliche juristische Wissen ist es den Migrant_innen jedoch in der Anhörung nicht möglich, die in den Haftanträgen zuvor vorgenommene Übersetzung ihrer Biographie mittels Paragraphen in ein Dokument nachzuvollziehen. Nicht im Besitz dieser juristischen Kompetenzen können sie ihre Anliegen nur in eigenen Worten vermitteln, die von einem_einer Sprachdolmetscher_in übersetzt werden. Frau E. berichtet über ihre Anhörung Folgendes: »They asked me many things but I said ›I don’t know‹. Because I cannot speak alone when my lawyer is not here« (Interview Frau E. 2016). Wie Frau E. in dem Zitat darlegt, ist eine Anfechtung ihres Falles ohne Anwält_in während der Anhörung nicht möglich. Nur wenn den betroffenen Personen neben sprachlichen auch rechtliche Dolmetscher_innen zur Seite gestellt werden, ist eine Anhörung auf Augenhöhe gewährleistet. Das führt dazu, dass innerhalb der Anhörung eher über den_die Migrant_in in Form einer textlichen Repräsentation verhandelt wird, anstatt mit ihm_ihr. Der_die Migrant_in steht damit versus dem Dokument. Somit wird das verhandelte Subjekt bezüglich seiner Handlungsmacht quasi aus dem Verfahren exkludiert, während der in Kraft gesetzte Haftantrag seine performative Wirkung entfaltet. Das Subjekt wird hierbei zugunsten seiner dokumentarischen Referenz objektiviert.
Falls der_die Amtsrichter_in den Haftantrag im Anschluss an die Anhörung somit als rechtskräftig einstuft, gibt er_sie ihm statt und ordnet daraufhin durch Erstellung eines Haftbeschlusses die Inhaftierung der verhandelten Person an. Doch auch die Herstellung des Haftbeschlusses ist erneut von sozialen Aspekten geprägt, welche die Qualität der Arbeitsergebnisse enorm beeinträchtigen können. Unter anderem übersteigt die Bearbeitung dieser asyl- und aufenthaltsrechtlichen Fragestellungen, welche normalerweise in den Verwaltungsgerichten angesiedelt sind, die praktischen Kompetenzen der Amtsrichter_innen. Zusätzlich führen zahlreiche rechtlich-politische Veränderungen zu erhöhten juristischen Anforderungen. In der unter Zeitdruck durchzuführenden rechtlichen Untersuchung werden somit häufig Brüche der Referenzkette des Haftantrages übersehen oder selbst neue hinzugefügt. Zu diesen sozialen Umständen berichtet ein Amtsrichter:
»Man hat sich ja seinen Tag ein bisschen im Vorhinein organisiert. Passen tut es nie, schnell gehen muss es immer und […] das ist ja nur ein absolutes Randgebiet. […] Ich habe einen Sitzungstag in der Woche, an dem ich Hauptverhandlung in Strafsachen mache. Wenn an so einem Tag etwas kommt; das ist Horror.« (Interview Herr W. 2016)
Infolge dieser rechtlich-bürokratischen Praktiken nimmt der Haftbeschluss wiederum eine bedeutende Rolle als Akteur ein: Selbst wenn eine Referenzkette fragmentiert ist, wird er durch die amtliche Legitimation eines_einer Richter_in in Kraft gesetzt und führt zur Inhaftierung der Person. Die Rechtanwender_innen des Netzwerks erzeugen in diesem Sinne dokumentarische Wirklichkeiten, die auf komplexen Verknüpfungen zwischen verschiedenen Dokumenten basieren und dabei Hierarchien hervorbringen sowie Autoritäten legitimieren (vgl. Atkinson/Coffey 2004: 69). In einem dazu befähigten Verhandlungsraum werden Ausreisepflichtige somit durch die Anwendung juristischer und dokumentarischer Methoden in Abschiebungshäftlinge transformiert. Den Migrant_innen bleibt nach der Inhaftierung in einem Abschiebungsgewahrsam nur die Möglichkeit innerhalb der einmonatigen Rechtsmittelfrist eine Haftbeschwerde einzulegen.
Der Verhandlungsraum der Abschiebungshaft: Interaktion zwischen Verwaltung, Justiz und Gesetzgeber
Vor dem Hintergrund der von sozialen und politischen Momenten geprägten Herstellungsprozesse von Haftdokumenten sind rechtswidrige Inhaftierungen keine Einzelfälle, sondern strukturelle Schwächen im bürokratischen System der Abschiebungshaft. Die Justiz erhebt keine Zahlen bezüglich Haftbeschwerden, jedoch führt Rechtsanwalt Herr F. eine umfangreiche persönliche Statistik: Von den 1.627 Mandanten, welche er seit 2001 bundesweit in Abschiebungshaftverfahren vertreten hat, befanden sich 823 Mandanten nach vorliegenden rechtskräftigen Entscheidungen der Gerichte zu Unrecht in Haft. Das entspricht 50 Prozent aller Fälle (Herr F., Stand August 2018). Trotz ihres Widerspruchs gegen die Haft können die Migrant_innen weiterhin abgeschoben werden. In diesem Fall werden sie vollständig aus dem Verhandlungsraum herausgelöst und einzig von der Haftbeschwerde bzw. der dokumentarischen Referenz, in welche sie ihre Interessen von einem_einer Anwält_in einschrieben ließen, im Verfahren repräsentiert. Aufgrund häufiger Kontaktabbrüche zwischen Anwält_innen und Mandant_innen können die Migrant_innen weder über den Ausgang des Verfahrens informiert werden, noch erreicht sie die Entschädigung, welche ihnen bei einer rechtswidrigen Haft zusteht (Interview Herr F. 2016).
Eine Haftbeschwerde führt dazu, dass die Referenzkette des nunmehr durch den rechtskräftigen Haftbeschluss gestützten Haftantrags einer erneuten Prüfung durch eine_n Rechtsanwält_in und möglicherweise durch höhere gerichtliche Instanzen unterzogen wird. Die Begründung der Haftbeschwerde greift kritische Punkte der Haftdokumente auf und weist durch eine stichhaltige Argumentation auf eine fragmentierte Referenzkette hin. Auf diese Weise ist es möglich, die zuvor getroffene richterliche Entscheidung aufzuheben und eine Unrechtmäßigkeit der Haft respektive eine Nicht-Nachvollziehbarkeit der Referenzkette nachzuweisen. Die Haftbeschwerde eröffnet einen abstrakten netzwerkübergreifenden Verhandlungsraum, in welchem die Verwendung der Operatoren und somit die Interpretation der Gesetzestexte festgeschrieben wird. Hierbei kommt es zu einer Verschränkung verschiedener Akteur_innen wie dem_der Migrant_in, welche_r seine_ihre Anliegen mithilfe eines_einer Rechtsanwält_in in den textlichen Akteur der Haftbeschwerde einschreibt, der Verwaltung, der Rechtsprechung und dem Gesetzgeber. Nachdem Ausländerbehörden, Amtsgerichte, Rechtsanwält_innen und Gerichte niedriger Instanzen Gesetzestexte bereits auf multiple Weise angewendet haben, sind Gerichte auf höheren Instanzen dazu befugt, eine bestimmte Interpretation für rechtlich legitim zu erklären. Auf diese Weise wurde eine Haftbeschwerde von Migrant_innen, die in Deutschland inhaftiert wurden, auf der Ebene des Europäischen Gerichtshofes verhandelt und führte 2014 zu einem Urteil, das die separierte Unterbringung von Strafgefangenen und Abschiebungshäftlingen in Deutschland forderte. Dieses performativ wirkende Urteil hatte weitreichende Folgen für die Praxis, insofern dass Abschiebungshäftlinge nicht mehr wie zuvor in Justizvollzugsanstalten, sondern in eigens geschaffenen Abschiebungsgewahrsamen untergebracht werden mussten (Interview Herr F. 2016).
Im Anschluss an eine Rechtsprechung ist es dem Gesetzgeber vorbehalten, gesetzliche Anpassungen vorzunehmen, wodurch wiederum politische Anliegen in die Verhandlung eingebracht werden. Davon machte der Gesetzgeber Gebrauch, nachdem der Bundesgerichtshof 2014 Inhaftierungen in Verbindung mit der Dublin III-Verordnung3 zu einer Zeit für unrechtmäßig erklärte, als derartige Inhaftierungen in der bundesdeutschen Praxis verbreitet waren. Die Einführung des § 2 Abs. 14 und 15 AufenthG und der darin gesetzlich festgelegten Kriterien von ›Fluchtgefahr‹ ist als Reaktion auf dieses Urteil zu sehen. Dadurch wurde die zuvor fehlende rechtliche Verknüpfung auf nationaler Ebene zur europäischen Dublin III-Verordnung hergestellt und die Inhaftierung ermöglicht (Interview Herr F. 2016).
Die Ergebnisse dieser komplexen Aushandlungsprozesse werden daraufhin in bestehende Gesetzestexte eingebunden und verschmelzen darin zu einem scheinbar homogenen Fließtext. Diesem können ohne Zuhilfenahme weiterer Dokumente, wie z.B. Gerichtsbeschlüssen, keinerlei Hinweise zu seinen Herstellungsprozessen entnommen werden. Auf diese Weise wirken die Ergebnisse zum einen performativ auf die Akteur_innen des Netzwerkes und werden zum anderen bei ihrer Anwendung Gegenstand neuer administrativ-rechtlicher Verhandlungen. Durch die Aushandlung der heterogenen Anliegen verschiedener Akteur_innen verändert sich die Abschiebungshaft und ihre Rahmenbedingungen in einem ständigen Konstitutionsprozess fortlaufend.
Die dokumentarische Dimension der Inhaftierung
Die Abschiebungshaft soll als letztes Mittel eines Rechtsstaates gewährleisten, dass eine Rückführung ausreisepflichtiger Migrant_innen erfolgt. Dementgegen werden Ausländerbehörden von ihrer Landesregierung mit Nachdruck dazu angehalten, eine hohe Anzahl von Rückführungen durchzuführen, weshalb die Beamt_innen in ihrer Praxis häufiger auf die Maßnahme zurückgreifen. Die vollzogenen Abschiebungen werden hierbei von den Behörden dokumentiert und als Referenzen an die politische Ebene weitergeleitet. Da Abschiebungshaftfälle in den Statistiken nicht näher differenziert werden, gehen diese vergleichbar seltenen Inhaftierungen in der Gesamtzahl aller Rückführungen auf. Während der_die Migrant_in somit bereits ausgewiesen wurde, repräsentiert diese Zahl im statistischen Verbund mit vielen weiteren das Ende seines_ihres Aufenthaltes in der Bundesrepublik Deutschland. Jene Zahlen von abgeschobenen Migrant_innen stellen somit eine zirkulierende Referenz für diese in rechtlich-administrativen Verfahren geschaffene Gruppe von zurückgeführten Migrant_innen dar. Die Produktion dieser Zahlen, die aus der Praxis der Rechtsanwender_innen stammen, stellt für Außenstehende jedoch einen intransparenten Prozess dar. Zirkulieren die Zahlen in Form von Statistiken oder politischen Erklärungen durch die Öffentlichkeit, wirken sie performativ. So misst bspw. der ehemalige Bundesinnenminister Thomas de Maizière den Erfolg der Gesetzesänderungen, welche zu Verschärfungen des Aufenthaltsrechts führten, anhand der Zahlen zurückgeführter Personen:
»Diese Maßnahmen greifen auch. Die Zahl der freiwilligen Rückführungen und Abschiebungen steigt. Im vergangenen Jahr haben rund 55.000 abgelehnte Asylbewerber Deutschland freiwillig verlassen, mehr als 25.000 wurden abgeschoben. Das ist ein Zuwachs von etwa 40 Prozent gegenüber dem Vorjahr; das ist gut.« (Bundesministerium des Inneren 2017)
Insbesondere im Jahr 2016, nach dem ›Sommer der Migration‹ 2015 und kurz vor dem Bundestagswahljahr 2017, wurden diese Zahlen instrumentalisiert, um eine politische Agenda zu legitimieren. Die Transformation von Migrant_innen in Ausreisepflichtige und Abschiebungshäftlinge ist somit das Ergebnis komplexer bürokratischer Prozesse, in welchen textliche Akteure innerhalb des Netzwerks der Abschiebungshaft hervorgebracht und in Kraft gesetzt werden. In diesem Zuge wird eine heterogene Gruppe von Individuen anhand eines geschaffenen Merkmals homogenisiert und zugleich objektiviert. Denn anstelle des Subjekts beziehen sich die Akteur_innen des Netzwerks oftmals nur auf die die Migrant_innen im Verfahren repräsentierende, zirkulierende Referenz. Gegenüber ihren textlichen Referenzen, welche aufgrund von Einschreibungen performativ wirken, nehmen die Subjekte insofern eine untergeordnete Rolle im Verfahren ein. So wird der Perspektive der Behörden durch ihre Fixierung in den Dokumenten große repräsentative Macht verliehen. In der von den Richter_innen durchgeführten Anhörung ist es den Migrant_innen aufgrund der Abwesenheit von Pflichtanwält_innen nicht möglich, ihre Sichtweise in einer rechtlich verhandelbaren Form ins Verfahren einzubringen. Oftmals wird in dieser Hinsicht mehr über sie als mit ihnen gesprochen und somit ihre Perspektive meist aus dem Verfahren exkludiert.
In diesem Zusammenhang wird eine für die Abschiebungshaft gesetzlich erforderte Einzelfallprüfung auch aufgrund von mangelnden rechtlichen Kompetenzen in den Ausländerbehörden und Amtsgerichten momentan nicht gewährleistet. Der politische Druck, möglichst hohe Rückführungszahlen zu generieren, verstärkt diesen Effekt. In der Folge werden viele Dokumente trotz fragmentierter Referenzketten rechtlich in Kraft gesetzt und viele Menschen zu Unrecht inhaftiert sowie kriminalisiert.
Die Menschen befinden sich insofern in Gewahrsam von Dokumenten. Auch die Inhaftierung von Frau E. ist als Ergebnis dieser dokumentarischen Praktiken zu verstehen. Sie ging bisher jedoch noch nicht in die anonymen Statistiken der Rückführungen ein, da sie aufgrund gesundheitlicher Umstände entlassen wurde. Zuvor musste sie jedoch mit Nachdruck darauf bestehen, eine angemessene ärztliche Untersuchung zu erhalten. Sie lebt seither mit einer Duldung in Deutschland. Ihre aufenthaltsrechtliche Situation hält sie noch immer dokumentarisch gefangen und ist für sie psychisch sehr belastend. Ihre subjektive Biographie wurde durch textliche Akteure ins Verfahren eingebracht und hob damit die physische als auch dokumentarische Gefangenschaft auf.
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Interviews
Frau E., Inhaftierte, 09.09.2016.
Herr F., Rechtsanwalt, 19.09.2016.
Herr V., Beamter Zentrale Ausländerbehörde, 18.10.2016.
Frau D., ehemalige Inhaftierte, 19.10.2016.
Herr W., Richter Amtsgericht, 03.11.2016.